Lessons learned…Zeitverschwendung?!

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Die gängige und akzeptierte PM-Literatur u. jede Zertifizierung gibt die sog. “lessons-learned” als Schlusspunkt eines Projekts an. Das Projektteam ist gemeinsam mit dem Projektleiter angehalten, das organisatorische Lernen voran zu treiben und letztlich die “Lehren” aus den vergangenen Projekten zu ziehen. Werden diese nicht gezogen, so verpuffen die innovativen, neuen Erkenntnisse, die zwangsläufig in Projekten gewonnen werden. Meist suchen wir auch einen emotionalen Abschluss – was auch immer das für den Einzelnen bedeuten mag.

Die entscheidenden Fragen, die sich mir dabei stellen sind: Ist diese systematische Reflexion nun wirklich sinnvoll und bringt sie tatsächlich einen organisatorischen bzw. persönlichen Mehrwert oder handelt sich hierbei nur um gut kaschierte Zeitverschwendung?

 Die eigentlichen Ziele der (Selbst)Reflexion, lassen sich ja ganz Allgemein in zwei Punkten zusammenfassen:

  • die künftige Vermeidung von in der Vergangenheit aufgetretenen Fehlern
  • die kontinuierliche Weiterentwicklung und Nutzung von (neuen) best practices

Im prozessorientierten Projektmanagement-Framework PRINCE2 stellt diese Vorgehensweise sogar ein elementares Prinzip dar. Die Ergebnisse werden sogar während des Projekts im sog. Erfahrungsprotokoll festgehalten und am Ende in einen Erfahrungsbericht zusammengefasst…soweit die graue Theorie.

Wenn die Erfahrungen nun einen so großen (Mehr)Wert für die Unternehmen darstellen fragt man sich doch unweigerlich, warum wir uns dann so schwer tun, diese Methode richtig anzuwenden und noch wichtiger, die richtigen Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen? Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, warum dann immer wieder die gleichen Fehler in Projekten begangen werden!?

Man ist geneigt zu glauben, dass die Dokumentation von Erfahrungen eine reine Management-Aufgabe wäre. Das würde aber zu kurz greifen. Natürlich sollten auch lessons-learned Workshops unter Moderation geführt werden. Das nützt jedoch am Ende des Tages alles nichts, wenn die dokumentierten Erkenntnisse nicht zur Anwendung kommen. In Wahrheit ist hier echtes unternehmerisches Denken – neudeutsch “Leadership” – gefordert. 

Erfahrungen zu nutzen hat immer etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Nachhaltigkeit hat wiederum viel mehr mit Unternehmertum, als mit Management zu tun. Nicht der kurzfristige Erfolg steht im Vordergrund, sondern die kontinuierliche Verbesserung der interne Prozesse und Ergebnisse in Projekten – ganz im Sinne von Kaizen. Wie “Verbesserung” definiert wird, ist dabei natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Fakt ist aber, dass jene Unternehmen letztlich erfolgreicher sein werden, die ihre Hausaufgaben machen und die Lehren aus vergangenen Fehlern und auch Erfolgen ziehen. Dabei ergibt sich übrigens eine interessante Analogie zum Spitzensport und auch zur Evolution.

Obwohl der Nutzen für eine Organisation deutlich ist, stellt sich immer noch die Frage, was das einzelne Teammitglied eigentlich davon hat? Die wenigsten erhalten deshalb eine Prämie oder mehr Gehalt. Grundsätzlich muss der Wille und der Mut zur Selbstreflexion und damit zur persönlichen Weiterentwicklung gegeben sein. Ist dieser nicht vorhanden, so handelt es sich tatsächlich nur um eine Übung zur Beruhigung des (Management)Gewissens. Ich gehe hier von einem positiven Menschenbild aus und unterstelle dabei, dass jeder Mensch gewillt ist, sich auf seine Art und Weise weiterzuentwickeln.

Es kommt in lessons-learned Workshops vor, dass sich ganze Teams deutlich zu negativ oder zu positiv darstellen. Dieses Verhalten ist rational nur schwer zu aktzeptieren. Eine pointierte Begründung dafür liefern Kollegen via Twitter. Es wäre demnach “typisch Deutsch/Österreichisch” seine eigenen Leistungen zu schmälern. Nicht wirklich befriedigend.
Aus meiner persönlichen Erfahrungen heraus erscheint dies sogar nachvollziehbar, doch auch hier ist mir diese Erklärung zu einfach. Ich glaube, es ist nicht unbedingt falsch zu behaupten, dass Teams, die ihre Leistungen negativ darstellen, mehr Aufmerksamkeit vom Management erhalten, als Teams mit durchwegs positiven Projektergebnissen und Workshop-Erkenntnissen. Das führt geradewegs zur Frage, in welcher wirtschaftlichen Realität wir leben, in der sich normale Menschen absichtlich in ein negatives Licht rücken müssen, um überhaupt Gehör zu finden… Sehen wir uns die Sache bei positiven Ergebnissen an, so wird man oft feststellen, dass das verantwortliche Management die positiven Erkenntnisse nickend zur Kenntnis nimmt und es keine weiteren Maßnahmen gibt, da ja ohnehin “alles bestens” lief. Ein gefährliches Spiel mit dem gewonnen Wissen und dem Vertrauen des Projektteams. Da ist es dann nur menschlich, wenn sich Teams lieber den “schwarzen Peter” zuschieben in der Hoffnung, dass ihre (teils überzogene) Kritik vielleicht doch irgendwie auf fruchtbaren Boden fällt.


Hier schließt sich der Kreis zum o.a. Nutzen für den Einzelnen. “Erfahrung ist die Summe unserer Fehler” wird behauptet. Ich möchte diesen für mich sehr wahren Satz erweitern und behaupten, dass Erfahrung nicht nur aus der Summe unserer Fehler, sondern auch aus den gezogenen Konsequenzen besteht. Ein Team kann aus den gemeinsamen erlebten Erfahrungen ungleich mehr lernen, als aus jedem Buch. Auch hier treten Emergenzen auf, die mehr sind, als bloße Erfahrungsberichte von Einzelnen. Die verschiedenen Blickwinkel und Eindrücke jedes Teammitglieds sind kombiniert, intelligent und ehrlich dokumentiert viel mehr, als bloße Aufzählungen von guten und schlechten Punkten. Sie sind nichts geringeres, als die vom Team wahrgenommene Realität mit allen Schwierigkeiten und Erfolgen. Genau daraus würden sich die besten Anhaltspunkte für nachhaltige Verbesserungen in einer Organisation ergeben. Dazu ist es jedoch a priori notwendig zuzuhören und das Gehörte und Gelesene auch ernst zu nehmen.

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