5 mutige Wege aus der organisationaler Trägheit
In der Physik wird Trägheit, als die verzögerte Reaktion eines Systems auf einen externen Impuls definiert. Wir Menschen sind untrennbar mit dieser Eigenschaft verbunden. Gerade im Change Management und bei Transformationen macht uns diese angeborene Eigenschaft – die Dinge sollen doch bitte bleiben wie sie sind – zu schaffen. Systembedingt entsteht dadurch in Unternehmen und anderen Organisationen eine kollektive Trägheit, die letztlich zur Verzögerung oder gar Verhinderung von (überlebens)wichtigen Anpassungen, und im schlimmsten Fall zum Untergang, führt. So weit will ich es hier aber nicht kommen lassen. Aus diesem Grund möchte ich dir ein paar Anstöße geben, wie diese kollektive Trägheit zumindest erschüttert werden kann. Spoiler vorab: Agilität ist der große Gegenspieler der Trägheit.
Inhaltsverzeichnis
Toggle1) Existierende Prozesse sind keine Naturgesetze
Hätte sich die NASA an bestehende Prozesse gehalten – die Mondlandung wäre nie passiert. Steve Jobs ging mit Apple ganz neue Wege, um dann mit iPod, iPad und Co. unglaublich erfolgreich zu werden. Marcel Hirscher oder die Williams Schwestern gingen ganz neue Wege und wurden damit zu Superstars. Was diese Beispiele gemein haben, ist umgelegt auf unsere Business Realität, dass Prozesse u. etablierter Verfahren absolut ihre Berechtigung haben. Diese Berechtigung erlischt, wenn dadurch Geschwindigkeit oder Innovationskraft eingebüßt wird.
Prozesse haben die Tendenz zu verfetten. Ein regelmäßiger, kritischer Review von Abläufen (wie ihn auch das PDCA-Modell fordert) geschieht zu selten und oberflächlich. Dadurch entsteht Trägheit und letztlich verzögern sich Dinge oder werden im schlimmsten Fall gar nicht erst gestartet. Standardisierte Abläufe sind in jedem Unternehmen nötig – genauso wichtig ist der Mut sie zu hinterfragen und vor allem an neue Anforderungen anzupassen. Das kann neues Wissen, geänderte Marktbedingungen oder auch Tools bzw. Automatisierung sein. Repetitive und monotone Vorgänge können Maschinen besser erledigen, als wir Menschen.
2) Verstehe den Sinn der Veränderung
Die Jahre der Pandemie haben gezeigt, wie schwer es ist, Veränderungen ohne klares Verständnis dafür mitzutragen. Wie mühsam selbst kleinste Anpassungen dann werden, wenn der Grund nicht bekannt oder verstanden ist. Wieso sollte sich ein Business und ihre Protagonisten künftig anders verhalten, wenn die Zahlen stimmen und der Erfolg gegeben ist?
Am Beginn jeder erfolgreichen Veränderung steht deshalb die klare und eindeutige Definition UND Kommunikation des “Wieso”. Dieser erste Impuls sorgt dafür, dass Bewegung in die Sache respektive kommt. Jene, die die Veränderung initiieren und herbeiführen wollen haben auch die Verantwortung das “Wieso” bereits ganz zu Beginn zu klären.
Das bedeutet mitnichten, dass alle immer damit einverstanden sein müssen und es keine Widerstände gibt. Allerdings setzt es gleich zu Beginn den Kontext für alle weiteren Tätigkeiten und ist somit der Anker, zu dem jederzeit zurückgekehrt werden kann und gegen den am Ende gemessen werden kann, ob die Veränderung die (wie auch immer) definierten Ergebnisse gebracht hat.
3) Know you customer – Kenne deine Kunden
Ein Phänomen von vor allem großen Organisationen ist, dass die eigentliche Wertschöpfung sehr weit entfernt vom Kunden stattfindet. Damit ist neben der räumlichen vor allem eine emotionale und kommunikative Distanz gemeint. Das führt dazu, dass Änderungen am Markt oder bei Kunden stark verzögert und vor allem verwässert in Unternehmen ankommen. Produkte werden dann im schlimmsten Fall an den Bedürfnissen der Kundinnen vorbei entwickelt und haben kaum Chance auf Erfolg. Ob Kunden dabei intern oder extern sind, ist meist irrelevant – die Mechanismen bleiben gleich.
Die Kenntnis über die Herausforderungen der Kunden und der ehrliche, regelmäßige Abgleich mit den eigenen Leistungen ist zwingend erforderlich, um intern den notwendigen Markt- bzw. Veränderungsdruck zu erzeugen. Erst diese Kenntnis lässt bildhaft gesprochen den organisatorischen Tanker in eine andere Richtung fahren, um geänderte Kundenwünsche zu erfüllen. Internen Bedenken kann mit dem Verweis auf geänderte Marktbedingungen wesentlich einfacher begegnet werden. Dazu müssen diese aber überhaupt erst im ganzen Unternehmen bekannt sein. Selbstverständlich bedeutet seine Kunden zu kennen auch zu antizipieren – an dieser Stelle der Hinweis an Henry Fords Pferde-Anekdote.
Gerade bei komplexen Produkten ist eine extrem enge Abstimmung mit Kunden unabdingbar. Es reicht hier einfach nicht, wenn nur der Vertrieb Anforderungen übermittelt und vor allem übersetzt. Die direkte Kommunikation zwischen Auftraggebern und jenen, die die Leistungen erbringen, ermöglicht bis dahin undenkbare Veränderungen.
4) Begrüße unpopuläre und unbequeme Ideen
In jeder Organisation gibt es Menschen, deren Meinung sich nicht mit der Mehrheitsmeinung deckt oder die immer wieder mit neuen Ideen irritieren und das ist durchwegs positiv gemeint. Nichts differenziert eine Organisation mehr, als ihre Mitglieder. Echte Alleinstellungsmerkmale zu finden, ist in einem globalen Marktplatz schwierig. Umso wichtiger ist es, die wichtigste Quelle für neue Ideen nicht zu übersehen – die eigenen Mitarbeitenden.
Nicht jede Idee kann in einem Produkt enden oder passt zur Strategie. Es wäre jedoch schlicht fahrlässig und unintelligent, auf die vorhandenen Potenziale zu verzichten. Impulse von Mitarbeitern können die möglichen Handlungsoptionen massiv erweitern. Management hat heute nicht mehr die Aufgabe, diese schwierige Herausforderung alleine zu meistern. Intelligente Personalführung bedeutet auch die ehrliche und transparente Einbindung der Belegschaft, auch wenn manche Ideen zunächst für Kopfschütteln sorgen.
Bestehende Produkte und Leistungen müssen durch jene, die sie erschaffen oder direkt bei Kunden erbringen laufend hinterfragt werden dürfen. Das schafft Robustheit und vermeidet unnötige Trägheit bei der Anpassung dieser Leistungen. Zusätzlich schafft diese Haltung eine Kultur der Offenheit, die sich wiederum sehr positiv auf die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden auswirkt.
5) Vermeide Paralyse durch Analyse
Diese Phrase beschreibt ein sehr häufiges Verhalten gerade und ironischerweise bei Unternehmen, die in der Vergangenheit sehr erfolgreich waren. Die Analyse neuer Geschäftsfelder, Produkte oder Dienstleistungen nimmt einen ungesunden Umfang ein und paralysiert die Organisation. Innovation wird so durch diese Paralyse verhindert. Man steigt auf das Gas und gleichzeitig auf das Bremspedal und wundert sich, dass zwar der Treibstoff zu Ende geht, man aber nicht vorankommt.
Dieses Verhalten ist in erster Linie der Fehlervermeidung geschuldet. Daran ist nichts auszusetzen, solange die Angst vor Fehler nicht das bestimmende Element und die Grundlage jeder Entscheidung wird. Statt möglicher Chance werden nur Risiken und mögliche Probleme gesehen. Ein iteratives Vorgehen in kleinen, überschaubaren und kontinuierlichen Schritten ist eine Möglichkeit, um das inhärente Risiko zu minimieren. Die laufende Begutachtung und Bewertung von Zwischenergebnissen verhindert große Fehltritte. Die agilen Frameworks Kanban und Scrum setzen beide auf diese Art der Entwicklung.
Naturgemäß erfordert das einen gewissen Mut und vor allem die Einsicht, dass in einer komplexen Welt immer weniger Planbarkeit herrscht und rasche Lieferfähigkeit wichtiger ist, als Perfektion und Leistungsumfang. Zahlen in schönen Exceltabellen gaukeln hier manchmal eine Sicherheit vor, die in der Realität gar nicht existiert. Das schmerzt einerseits und anderseits vereinfacht es Dinge, weil die Umsetzung rascher startet werden kann. Es gibt das schön Sprichwort “Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben” – eine Entwicklung ohne Risiko gibt es nicht und nur so kann organisationale Trägheit überwunden werden.
Fazit
Organisationale Trägheit entsteht nicht von heute auf morgen. Die Tendenz steigt, je größer und paradoxerweise erfolgreicher eine Organisation oder ein Unternehmen wird. Alle hier angeführten Punkte entspringen einer systemischen Sicht und fokussieren nicht auf einzelne Personen, da sich Menschen so verhalten, wie es das System belohnt. Es gilt als Ganzes agil, flexibel und robust zu bleiben. Geschwindigkeit schlägt Vollständigkeit oder Perfektion in den meisten Fällen. Daher ist es unabdinglich, sich von Prozessen und Haltungen zu befreien, die keinen Mehrwert bieten und die Zusammenarbeit stattdessen verlangsamen und erschweren.
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